Im Diamantenfieber

Am nächsten Tag sind wir ausgeruht genug um weiter bis nach Lüderitz zu fahren. In und um diese Kleinstadt nahm die deutsche Kolonialgeschichte in Namibia ihren Anfang. Ende des 19. Jahrhunderts kaufte der Bremer Tabakhändler Adolf Lüderitz das Land um die Atlantikbucht, die bis heute seinen Namen trägt. Bodenschätze fand er dort keine und musste sein Land später an die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika verkaufen. Anfang des 20. Jahrhunderts, nach Lüderitz Tod, fanden zwei Bahnarbeiter, die beim Bau der Trasse von Lüderitz ins Landesinnere arbeiteten, durch puren Zufall die ersten Diamanten. Danach setzte eine Migrationsbewegung ein, die viele vom Diamantenfieber angelockte Deutsche in die Gegend um Lüderitz zog. Dabei entstand die, für damalige Verhältnisse, unglaublich reiche Siedlung Kolmanskop. Inzwischen gibt es hier keine Diamanten mehr, nur noch das riesiges Diamanten-Sperrgebiet und die verlassenen und teilweise schon von der Wüste zurück eroberten Häuser von Kolmanskop. Die wollen wir uns ansehen.

Hier hält schon lange kein Zug mehr

Im Spar in Lüderitz decken wir uns zunächst mit neuen Vorräten ein. Als wir zurück zum Auto kommen, machen wir die Bekanntschaft eines ungewöhnlich forschen, jungen „Fahrzeugbewachers“. In Südafrika ist es vielerorts üblich, dass die Autos auf öffentlichen Parkplätzen von schwarzen Jugendlichen bewacht werden. Ob sie tatsächlich im Falle des Falles bei einem Wageneinbruch einschreiten würden, wissen wir nicht. In der Regel geben die Südafrikaner ein paar Taler und wir tun dies auch. Dieser junge Geselle allerdings hatte sich ganz speziell unser Auto zum Bewachen ausgesucht, die anderen schienen dessen nicht Wert zu sein oder versprachen nicht so leichte Einnahmen. Blumig erzählt er uns, wie dreiste Diebe in unser Gefährt einbrechen wollten und er sie gerade noch rechtzeitig mit seinem Stock in die Flucht jagen konnte. Als wir, ob seiner abenteuerlichen Geschichte, etwas ungläubig dreinschauen, wird er schnell sehr fordernd und am Ende derart ausfallend, dass wir ihn ohne Entlohnung dastehen lassen. Freundlichkeit und gegebene Sitten sind eine Sachen, Dummfang etwas ganz anderes.

Unser unwirtlicher Campingplatz in Lüderitz

Es sollte nicht der letzte Versuch sein, uns um ein paar Taler mehr zu erleichtern. Wir müssen unbedingt Wäsche waschen. Erst wenn man so selten Gelegenheit zum Waschen hat, lernt man saubere Sachen richtig zu schätzen. Wir fahren also zur Wäscherei und geben fast alle unsere Klamotten ab. Plötzlich soll die Wäsche das doppelte der ausgeschilderten Preise kosten. Aber heute ist nicht der Tag, um mit uns Spielchen zu treiben. Nach reger Diskussion und einer ordentlichen Portion Hartnäckigkeit unsererseits verlassen wir das Geschäft mit einer angemessenen Rechnung aber dem Gefühl, nicht so richtig in Lüderitz willkommen zu sein. Da das Auto immer noch stark nach rechts zieht, suchen wir direkt im Anschluss eine Werkstatt auf und machen einen Termin für den nächsten Morgen mit Udo, dem deutsch-namibischen Werkstattbesitzer. Nachmittags beziehen wir dann endlich unser neues Domizil: auf Shark Island, eine Halbinsel vor der Stadt. Was während der Namakriege Anfang 1900 als Konzentrationslager diente, wird jetzt als Campingplatz genutzt.

 Dies war einmal die reichste Gemeinde Namibias

Die deutsche Vergangenheit ist architektonisch in Lüderitz, wie schon in Swakopmund, noch allgegenwärtig. Die kleine Kirche, die deutschen Straßennamen und die bunten Fachwerkhäuschen könnten direkt aus einer deutschen Kleinstadt importiert sein. Der kleine, unscheinbare Souvenirshop und dessen alt ehrwürdige Inhaberin passen irgendwie dazu, scheinen aber aus einer noch viel früheren Epoche zu stammen. Natürlich kommen wir ins Plaudern. Das Deutsche stirbt langsam aus, erzählt sie. Einige wenige Namibiadeutsche leben noch dort, aber der Großteil der Bevölkerung ist inzwischen schwarz. Besonders im Hafen arbeiten viele nigerianische Gastarbeiter. 2012 wurde Lüderitz offiziell umbenannt in !Namiǂnûs, was in der Klicksprache „Umarmung“ bedeutet. Die deutsche Kultur ist ein Erbe, dessen Zukunft in Namibia eher ungewiss ist. Bevor wir uns von ihr verabschieden und uns auf den Rückweg zum Campingplatz machen, kaufen wir zum Schluss noch zwei Eintrittskarten für die Kolmannskuppe.

Niemand hält den Sand mehr zurück

In dieser Atlantikbucht am Rande der Wüste herrscht ein beständiger Sturm. Das Dachzelt bekommen wir nur mit Mühe und Not aufgebaut und beim Essen fliegt uns buchstäblich der Belag vom Brot. Als es am Abend richtig schlimm wird, verschanzen wir uns lieber mit einer Flasche Wein im Auto. Nachts lässt der Wind dann zwar etwas nach, aber das unentwegte Rütteln an unserem Zelt hält uns doch die meiste Zeit wach. Am nächsten Morgen geht der erste Gang, etwas übermüdet, zu Udos Werkstatt. Während wir ein paar Snacks frühstücken, schauen wir zu, wie unser Gefährt vom Chef persönlich auf der Rampe bearbeitet wird. Es wird gemessen, geschraubt und justiert. Viel Zeit haben wir allerdings nicht. Wir haben eine Führung auf der Kolmannskuppe gebucht. Udo gibt uns den Wagen nach knapp drei Stunden zurück. Auf dem Weg zur Kolmannskuppe stellen wir schnell fest, dass unser Auto jetzt zwar geradeaus fährt und auch die Spur hält, das Lenkrad dabei aber neunzig Grad nach links gedreht ist. So ein Mist!

Die Kolonisten haben auf nichts verzichten müssen

Einmal an der Kolsmannskuppe angekommen sind unsere Sorgen mit dem Auto schnell vergessen. Es geht gedanklich zurück in 1910er Jahre, in ein Camp für Diamantensucher, das mit dem Diamantenfieber schnell zu einer 400-Seelen-Gemeinde heranwuchs. Nach deutschem Vorbild entstanden hier herrschaftliche Steinhäuser, ein Krankenhaus, eine Schule, ein Ballsaal mit Turnhalle und Kegelbahn, Metzgerei, Bäckerei, Tante-Emma-Laden, sogar eine Eisfabrik für die chemische Herstellung von Eisstäben für die damals top-modernen, hölzernen Eischränke. Aufschwung und Wohlstand hielten nur zwei Dekaden. Nachdem die Diamantenfunde immer weniger wurden und der Abbau im großen Stil gestoppt wurde, verschwanden auch die Bewohner der Kolmannskuppe. Geblieben ist eine verlassene Kleinstadt, die teilweise restauriert und als Museum hergerichtet ist, deren anderen Gebäude aber nach und nach von der Wüste zurück erobert werden.

Sogar Eisschränke gehörten zur Standardmöblierung

Das Museum ist im ehemaligen Ballsaal untergebracht und im Keller ist sogar die Kegelbahn mit Bar noch komplett erhalten, inklusive des Aushangs für das Preiskegeln vom 4. Juni 1927. In der Turnhalle stehen noch Barren, Bock, Pferd und Springbrett sowie ein altes Klavier. Ein Foto mit jungen Damen und Herren vor der kleinen Bühne erinnert an eine der letzten großen Veranstaltungen um 1930. Das Leben muss nicht schlecht gewesen sein. Das restaurierte Herrenhaus, das wir besichtigen, hat bunte Tapeten, Gardinen, reichlich schwere Holzmöbel und verströmt den Charme einer Wohnung zu Urgroßelterns Zeiten. Erst wenn man heraustritt stellt man wieder fest, dass man mitten in der Wüste ist. Die meisten Häuser sind dem Sand und dem Wind schutzlos ausgeliefert. Im Krankenhaus am Ende der Straße reicht der Sand manchmal bis zum oberen Türrahmen, über dem noch die Nummern des Behandlungszimmers stehen. Es ist eine unwirkliche Welt, aber wenn man sich konzentriert, kann man sich das Leben hier, in den 1920ern, durchaus vorstellen.

Seit Jahrzehnten holt sich die Wüste ihr Territorium zurück

Viel zu früh müssen wir das Gelände verlassen. Sehr gern wären wir noch länger durch die alten Häuser gestreift und hätten fotografiert, aber die Kolmannskuppe liegt in einem riesigen namibischen Diamantensperrgebiet, zu betreten nur mit zeitlich begrenztem Passierschein. So sicher ist man sich nicht, dass es hier nicht doch noch Diamanten gibt. Unbewusst scannen unsere Augen beim Laufen den Sand nach etwas Glitzerdem, aber so einfach ist es dann doch nicht. Nach wie vor sind Diamanten einer der wichtigsten Rohstoffe des Landes und einer der behütet werden will. Diamantenschmuggel ist keine Seltenheit und die Sicherheitsmaßnahmen auf den heutigen Diamantenfeldern entsprechend streng. 1985 wurde ein Minenaufseher mit 120 Diamanten verhaftet, die er sich, gut verpackt, rückwärtig eingeführt hatte. Um die Röntgen-Checks zu umgehen, wurden bald darauf trainierte Brieftauben eingesetzt. Zwischen 1990 und 2007 stellte man über 470 Diamanten bei Brieftauben sicher, deren Treue man dann auch nutzte, um die Besitzer ausfindig zu machen. Wir verlassen die Kolmannskuppe und Lüderitz ohne Diamanten und beginnen mit unserer bescheidenen Reisekasse unsere letzte Etappe in Afrika.

In the Diamond Rush

We got enough rest until the next morning to go on driving to Lüderitz. Around this small town the German colonial history in Namibia began. In the late 19th century the tobacco merchant Adolf Lüderitz from Bremen bought the land in this Atlantic bay, named after him today. However, he did not find any natural resources as he had hoped and later on he was forced to sell his lands to the Deutsche Kolonialgesellschaft Südwestafrika. In the early 20th century, after Lüderitz’ death, two railway workers building the rail way tracks from the bay to the inner country found the first diamonds by coincidence. After that an immigration wave kickstarted, when many Germans in thei diamond rush settled in the said bay. The result was an incredibly wealthy small town of Kolmanskop. Nowadays there are no diamonds anymore, it is said. What is left is the large prohibited area and the abandoned ruins re-conquered by the desert dunes in Kolmanskop. We absolutely wanted to see this.

In the supermarket we topped up our supplies. When we came back to our car we got to know a young, unusually brisk ‘car guard’. In South Africa it is common at most public parkings that the cars are being minded by young black guys. If they would intervene in case of a car theft e don’t know. However, the South Africans give some change for their service and so did we. This dude however seemed to have chosen our car explicitly for his guarding services as the other cars did not look so promising for an easy income. He told us a long rigmarole how nasty thieves tried to break into our car and he could beat them with his stick last minute. As we did not really look convinced of this adventurous story he became very demanding and insulting that we leave him without some change. Friendliness and cultural habits are one side of the coin, but the other one is to be taken as fools.

This was not the last situation when we should get tricked. We urgently needed a laundry. Only when you have access to washing machines that rarely you learn to appreciate clean clothes. Therefore we went to a laundry and gave them all our clothes. Suddenly the price went up by 100% compared to the signs. But that day we were not ready to give in and after a long discussion we insisted to pay the normal price. Somehow we got the feeling that we were not really welcome in Lüderitz. Our car was still drifting to the right side a lot, that’s why we looked for a garage and made an appointment with Udo, a German-Namibian garage owner. In the afternoon we finally settled at our new home for tonight: Shark Island, outside the city. During the Nama wars in the early 1900s it was a concentration camp and is used as a camp site nowadays.

The German past is still visible in the Lüderitz architecture as it was already in Swakopmund. The little church, the German street signs and the colorful studwork houses look like directly imported from a German town. The small souvenir shop and the elder lady who owns it seem to be cut and pasted from an previous era. Of course we came to talk quickly. The German is dying out, she said. Only very few German Namibians still live there, most of the inhabitants are black now. Especially the harbor is crowded with Nigerian guest workers. In 2012 Lüderitz was officially renamed to !Namiǂnûs which means ‚hug‘ in the click language. Before we said our goodbyes we bought our tickets for Kolmanskop.

In that Atlantic bay at the edge of the border there is a constant storm. Therefore we had a hard time setting up our rooftop tent and when we had dinner the top of our sandwiches was literally blown away. When it got even worse we took a bottle of wine and found shelter in our car. At night the storm diminished slightly but still our tent was shaking and torn and we were kept awake. The next morning our first trip brought us to Udo’s garage. Very tired we had some snacks for breakfast and watched Udo working on our vehicle in the meantime. He was busy measuring, screwing and adjusting. But we did not have much time due to the appointment at kolmaskop. After three hours Udo returned our car, but as we had to learn. The car was going straight now but the steering wheel was turned a quarter to the left. F**k!

Having arrived at Kolmanskop we forgot about the car issues for a while when we time travelled back to the 1910s to a camp of diamond diggers that quickly rose to a 400 people community. Copied from German prototypes stately mansions, a hospital, a school, a ball room with a gym and a bowling alley, butcher, bakery, a retail store, and even an ice factory producing ice bars for the at that time very modern wooden fridges. Though wealth and economic boom only lasted for two decades. After the diamond output continuously decreased the inhabitants left one after the other. What is left now is the old buildings, part of them used today as a museum and the rest is being eaten by the desert sands.

The museum is situated in the old ball room and in the basement the bowling alley is still intact, including the old bar and an ad for the bowling competition from June 4 1927. In the gym you can still see the bars, leapfrogs, a springboard, and an old piano. A photo of displaying a group of young ladies and gents in front of the big stage reminds of one of the last events around 1930. Life must not have been too bad here, we summoned. One of the restored mansions that we could enter had colorful wallpapers, curtains, heavy wooden furniture and seemed as charming and cozy as our great grandparents’ living room. Only when we stepped out of the house we remembered that we are in the middle of Namib desert! However most houses are surrendered to the desert sands without any kind of protection. In the hospital the sand dunes are as high as the top of the door frames at some places. On top of the doors we could still see the number of the treatment room. What a surreal world, but if we concentrated a lot, we could really picture life in the 1920s.

Earlier than we liked we had to leave the area. Preferably we would have stayed linger, strolled through the dunes and the mansions, taken more photos, but as Kolmanskop is situated within the prohibited area you can only enter with a time limited ticket. Obviously they are not so sure that there are not any diamonds left to be found. While walking our eyes were unintentionally scanning the grounds for something shiny, but of course it was not that easy. Still diamonds are one of the most precious natural resources in Namibia and it has to be protected. Still diamond smuggle not so rare and therefore the security measures are strict in that area. 1985 a mine worker got arrested after having stolen 120 diamonds that he packed cautiously and inserted them anally. To avoid the x-ray checkups trained carrier pigeons were used. Between 1990 and 2007 more than 470 pigeons were arrested and their loyalty was abused to find their respective owners. So we left Kolmanskop and Lüderitz – without any diamonds – with our small travel budget to start our last stage of the Africa trip.

Hinterlasse einen Kommentar