Aralsk – auf dem Trockenen

Wir sind bei einer Gastfamilie untergebracht und werden von einem Fahrer netterweise mitten in der Nacht vom Bahnhof abgeholt. Unser Schlafplatz wird uns als typisch kasachisch vorgestellt – auf dem Boden. Nur ein paar Matten werden ausgerollt, fertig. Egal, nach dieser Reise wollen wir nur duschen und schlafen. Auch die Dusche ist typisch kasachisch: ein Holzverschlag auf dem Hof mit einem Fass auf dem Dach. Die Toilette ist natürlich auch draußen: ein weiterer Verschlag auf dem Hof. Ein Plumsklo, allerdings zum Hinhocken. Für nächtliche Ausflüge zur Dusche oder Toilette bekommen wir von unserer Gastmutter eine Taschenlampe.

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Eine der typischen Nebenstraßen in Aralsk

Bald wird mir klar, warum jeder Schaffner und Mitreisende laut gelacht hat, darüber, dass wir nach Aralsk wollen. Es gibt hier nichts außer Hitze (40 Grad), salzigem Wind und Sand. Die Zeit scheint schon lange stehen geblieben zu sein und kaum Besucher verirren sich hierher. Wir werden auf der Straße ständig bestaunt, argwöhnisch beobachtet oder angesprochen. Wobei meist nur Moppi angesprochen und die Hand gegeben wird, ich werde oft von den Männern ignoriert. Ich versuche, mich damit abzufinden und halte mich im Hintergrund, fühle mich aber nicht wohl damit.

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Eines der letzten Wracks, im Hintergrund das ehemalige Ufer

Aber wir sind ja wegen des Aralsees hier, also brechen wir mit Vlad, unserem Fahrer, am übernächsten Tag auf. Es geht querfeldein durch Sand über Huckelpisten, was einst der Meeresgrund des Aralsees war. Wir fahren ca. 45 km zu der Siedlung Zhalanash, welche nur noch wenige Kilometer vom aktuellen Ufer entfernt ist. Bei der Fahrt wird uns das ganze Ausmaß dieser vom Menschen gemachten Naturkatastrophe erst bewusst. Jetzt grasen dort Kamele und man vergisst leicht, dass man nicht in Afrika ist. Wir besichtigen zuerst den Schiffsfriedhof. Dort liegen drei der noch nicht vollständig zerlegten und verkauften Schiffswracks.

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Der Trinkkumpan, Moppi und Vlad

Vlad hat einen Kumpel aus dem Dorf dabei und die beiden fangen an, einen Wodka nach dem nächsten zu kippen. Wieder müssen wir mithalten. In Deutschland würde ich nie mit jemanden fahren, der eine halbe Flasche Vodka intus hat, aber in der Steppe hat man wohl keine Wahl. Es kommt ohnehin kein Gegenverkehr. Nachdem wir das Ufer des Aralsees erreicht haben, freuen wir uns auf eine Abkühlung und gehen schwimmen. Darauf wird mit Wodka angestoßen.

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Erstmal nur mit den Füßen, später dann aber richtig rein

Auf dem Rückweg lädt Vlad uns ein, bei seinem Bruder in Zhalanash zu essen. Dort sitzen wir mit seiner ganzen Familie auf dem Boden und lassen uns das Sonntagsessen (Pastanester gefüllt mit Hackfleisch und Kartoffelgemüse) schmecken. Von der regen Unterhaltung verstehen wir kein Wort. Unsere Russischkenntnisse scheinen nicht zu helfen. Später in Almaty erfahren wir den Grund dafür. Kasachisch benutzt wie Russisch das kyrillische Alphabet (mit einigen Extrazeichen), ist aber eher mit dem Türkischen verwandt. In den nächsten Jahren soll in Kasachstan aber zurück zum lateinischen Alphabet (wie vor UdSSR-Zeiten) gewechselt werden.

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Das Hotel Aral - ein Überbleibsel aus Sowjetzeiten

Zurück in Aralsk beschließen wir, ins Hotel zu ziehen. Die Übernachtung bei der Gastmutter ist doch sehr teuer, dafür dass es kein Bett gibt. Der Sympathiefunken sprang auch nicht über, was aber wohl an den mangelnden Englisch-Kasachischkenntnissen liegt. Wir mieten uns also im Hotel Aral ein: bis vor Kurzem das einzige Hotel am Platz, direkt am alten Hafen. Auch hier ist die Zeit stehen geblieben. Das Hotel eignet sich perfekt als Kulisse für einen Horrorfilm. Löcher in Böden und Decke, sporadische Beleuchtung, knarrende, schief hängende Türen. Es ist aber eine Erfahrung und eine große Ersparnis. Etwas froh sind wir aber doch, als wir in den nächsten Nachtzug steigen. Es geht nach Almaty, der ehemaligen Hauptstadt Kasachstans.

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Das alte Hafenbecken, lange ausgetrocknet und ohne Verwendung


Aralsk – Stranded on the Dry

We are living at a host family’s and a kind driver is picking us up from the train station in the middle of the night. Our place to sleep is announced as being typically Kazakh: on the floor. Only a few mats are put on the floor, that’s all. After this long trip we are only eager to take a shower. The shower too is typically Kazakh too: a wooden stall in the backyard with a water barrel on top of the roof. The toilet is located in another wooden stall outside: a natural toilet to squat. For trips to the bathroom at night we are a given a flashlight by our host lady.

Soon I understand why all train personnel and our fellow travellers were laughing out loudly when hearing about our trip to Aralsk. There is nothing but heat (40 degrees Celsius), salty wind and sand. It seems like the time stopped here. Hardly any visitors come by this area. On the streets people curiously look at us, suspiciously observe us or talk to us. Whereas they mostly only greet and talk to Moppi, most men just ignore me. I try to get used to it and keep myself in the background, but I feel odd about it.

But we came to see the Aral Sea, so we go on a trip with Vlad, our driver. We are driving off-road on what used to be the ground of the Sea. We go about 45 km to the village Zhalanash, which is only a few kilometres off the actual sea shore. During the drive we realise the extent of this human made natural catastrophe. Now there are camels grazing and one can easily imagine being in Africa. First we visit the ship cemetery. There you can see the last non disassembled and sold ship wrecks.

Vlad picked up a friend from the village and the two of them start drinking vodka. Again we have to join. In Germany I would never ride with a driver who just had half a bottle of vodka, but in the steppe it looks like we don’t have any choice. There is no traffic anyways. After having arrived at the Aral sea shore we are happy about a cool swim. Of course we have to cheer it with a vodka.

On the way back Vlad invites us for lunch at his brother’s in Zhalanash. There we sit with the with the whole family on the floor and enjoy the Sunday meal (pasta nests filled with minced meat and potatoes). We don’t get a word of the vibrant conversation. Our Russian knowledge does not to be helpful at all. Later on in Almaty we learn why is that. Kazakh is using Cyrillic letters (wit some special letters) like Russian, but it is rather connected to Turkish language. In the upcoming years Kazakhstan is planning to change back to Latin letters (like in pre-Soviet times).

Back in Aralsk we decide to move to the hotel. Staying at the host lady is quite expensive considering there is not even a bed. There are no good vibrations between us anyway, but this rather accounts the lacking Kazakh and English language skills. So we rent a room in hotel Aral: until recently the only hotel in town, located at the old harbour. It fell out of time too. The place would be a perfect location for a horror movie: holes in the floor and ceiling, sporadic lighting, creaking and crooked doors. But we perceive it as a huge experience and money saver. Nonetheless we are a bit glad to hop on the next nigh train to Almaty, the former Kazakh capital.

3 Gedanken zu “Aralsk – auf dem Trockenen

  1. Hallo Ihr zwei lieben,
    eure Reiseberichte sind einfach Klasse, wir amüsieren uns immer köstlich.Da macht ihr was für Eure Lebensgeschichte.
    Wir warten schon immer auf den nächsten Bericht sehnsüchtig.
    Liebe Grüße von Marga und Peter

  2. Susi, du kannst doch nicht immer die anderen fuer dich schreiben lassen 😉 [*]

    .. in diesem Fall faellt es allerdings wirklich schwer, inhaltlich viel hinzuzufuegen. Ich sitze nur mit grossen Augen staunend vor den Artikeln und bedaure meine Sprachlosigkeit. Aber dann faellt mir ein Film ein, aus dem ein Zitat gut passt. In diesem Fall ist es ‚True Romance‘, und der Text lautet:

    „You’re so cool.“

    Maximalen Erfolg,
    C.

    [*] Dramatisierung, muss nicht stimmen.

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