Wir treffen Brampal, Rohit und Tenzin Gyatso

Mit Verspätung, aber überglücklich landen wir in Delhi. Dieses Mal wohnen wir bei Ben, einem Franzosen der mit einer Inderin verheiratet ist. Sie sind nicht da. Die beiden feiern ihren ersten Hochzeitstag in Goa. Dafür empfängt uns Bens Haushälter Brampal sehr, sehr herzlich. Die Wohnung ist genau das, was wir gerade brauchen: sauber, mit Waschmaschine und schnellem Internet. Wir fühlen uns auf Anhieb wohl. Ich habe mal gezählt und Bens Appartement ist bereits die 35. Unterkunft unserer Reise (Übernachtungen in Zügen, Bussen, Flughäfen etc. nicht eingerechnet). Mittlerweile sind wir ziemlich routiniert darin, unsere Rucksäcke zu packen und uns neu zurecht zu finden. Zu Hause ist dort, wo sich das Handy automatisch ins WLAN einwählt und man im Dunkeln den Lichtschalter findet. Brampal ist ein lustiger Typ, der das Herz am rechten Fleck hat. Er stammt aus ärmlichen Verhältnissen und seine Eltern konnten keins ihrer sechs Kinder zur Schule schicken. Er hat weder lesen noch schreiben gelernt. Irgendwann hat ihm ein Franzose Englisch beigebracht und seitdem arbeitet er für Ausländer als Koch und Haushälter. Mittlerweile hat er sich sogar selbst lesen beigebracht. Eigentlich ist das gar nicht so schwer, sagt er, wenn man das wirklich will.

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Das in Alt-Delhi allgegenwärtige Grau-in-Grau

Bens Wohnung liegt in einer eher besser betuchten Gegend. Das gesamte Viertel ist umgeben von einer Mauer mit mehreren Toren, die nachts verschlossen werden. Im Viertel verteilt sind ein dutzend Sicherheitscheckpoints, die rund um die Uhr besetzt sind. Auch wenn das für uns zunächst etwas ungewohnt ist, scheint es in den indischen Großstädten eine recht typische Art des Wohnens für gut Verdienende zu sein. In Delhi gibt es einige solcher Viertel. Man gönnt sich hier sogar den Luxus relativer Stille. Es gibt stille Zonen, in denen Hupen explizit verboten ist. Es hält sich zwar nicht jeder daran, aber es ist auf alle Fälle viel ruhiger, als wir es sonst in Indien gewohnt sind. Nur ein paar Minuten zu Fuß von Bens Appartement ist eine der vielen Sehenswürdigkeiten Delhis: Humayuns Tomb, ein großes Mausoleum, welches Vorbild für das Taj Mahal war. An einem sonnigen Nachmittag spazieren Moppi und ich durch den angeschlossenen Park, bereits mit einer gewissen Neugier auf das Mausoleum, um dann direkt vor dem Eingang wieder kehrt zu machen. Ausländer zahlen hier den 25-fachen Eintrittspreis! Es ist schon in Ordnung, dass wir mehr zahlen sollen als Inder, aber 25 Mal so viel schreckt uns dann doch etwas ab.

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Franzis neuer Freund begleitet uns zu allen Attraktionen seines Reviers

Da der Nachmittag noch lang ist, schlendern wir auf dem Rückweg zur Wohnung noch ein bisschen durch die Nachbarschaft. Nach ein paar Biegungen kommen wir an einem schicken weißen Tempel vorbei. Er ist kein Hindu Tempel und auch kein buddhistischer Tempel. Das fehlende Schild mit Preisen und die fehlenden Touristen wirken irgendwie einladend auf uns. Moppi und ich beschließen, einen Blick hinein zu wagen und falls wir wieder einen x-fachen Preis zahlen sollen, wird man uns schon aufhalten. Und siehe da, wir werden aufgehalten. Dieses Mal allerdings von einem Sikh-Guru, der kein Geld will, aber dass wir die Schuhe ausziehen und unsere Haare mit einem Tuch bedecken bevor wir hineingehen. Nachdem wir uns den Tempel angeschaut haben, führen wir ein sehr offenes Gespräch mit ihm und lernen einiges über den Sikhismus. Es handelt sich um eine junge und sehr lebensnahe Religion. Männer und Frauen sind gleich gestellt, sehr sympathisch. Allerdings soll man sich keine Körperhaare schneiden oder rasieren.

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Manche Straßen der Hauptstadt wirken eher wie Feldwege

Leider haben wir nur 2 Nächte bei Ben gebucht und verlängern ist gerade nicht möglich. Das heißt umziehen. Eines der vielversprechendsten Angebote ist etwas außerhalb der Stadt, im Vorort Ghaziabad. Ghaziabad soll mal eine schicke Vorstadt werden, aktuell ziehen sie noch in Windeseile die Condos hoch, die Glitzereinkaufstempel stehen schon und zwischendrin, auf den noch nicht kultivierten Brachflächen befinden sich kleine Slums und Behausungen unter Planen, wie wir es schon in Kalkutta gesehen haben. Manche haben hier sogar Fernseher in ihren Behausungen. Das bringt mich direkt zu unserem Gastgeber, Rohit, dem Fernsehstar. Wenn wir irgendwo privat unterkommen, stellen Moppi und ich uns üblicherweise kurz vor und der Gastgeber tut in der Regel dasselbe. In Rohits Fall wurde diese Vorstellung multimedial von Ausschnitten der Seifenopern, Sitcoms und Musikvideos unterstützt, in denen er die Hauptrollen gespielt hat. Dazu erzählt er uns ein paar Stories aus dem Drehalltag beim indischen Fernsehen. Während in Deutschland beispielsweise eine Folge einer Daily Soap Monate im Voraus gedreht wird, dreht man in Indien manchmal erst einen Tag vor Ausstrahlung. Ein paar Mal, sagt Rohit, gab es noch nicht einmal ein Skript und sie mussten improvisieren. Ich frage ihn, wie es sein kann, dass die Inder in der Fernsehwerbung alle so weiß sind, sogar weißer als Moppi und ich. Viel Makeup und eine starke Überbelichtung machen es möglich.

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Rohits Lagerfeuer kurz bevor Tisch und Handy in Flammen stehen

Vor vier Jahren wurde Rohit die Fernsehwelt zu öde und seitdem versucht er sein Glück mit Immobilien und als Fotograf. Es scheint ganz gut zu laufen. Zwei mal am Tag kommt eine Putzfrau und ein Mal am Tag die Köchin. Rohit kann es kaum glauben, dass wir in Deutschland keine Putzfrau haben. Dafür muss man wissen, dass in Indien solche Hausdienstleistungen im Gegensatz zu Deutschland unglaublich billig sind. In den zwei Nächten, die wir bei Rohit bleiben, lernen wir auch einige seiner engsten Freunde kennen und am Abend gibt es ein kleines Lagerfeuer auf der Dachterrasse. Der einzige kleine Nachteil, der sich bei Rohits Wohnung bemerkbar macht, ist die Entfernung zur Stadt. Zuerst müssen wir 15 Minuten mit der Autorikscha zur Endstation der Metro fahren und danach eine ganze Stunde mit der Metro, bis wir im Zentrum sind. Für Moppi ist das kein so großes Problem, aber für mich ist es eine Zerreißprobe für meine Nerven. An einem Sonntag Nachmittag ist die Metro voller als die Berliner U-Bahn es jemals zu Stoßzeiten werden könnte. Es wird geschubst und gedrängelt, ein Stopfer pro Tür stopft noch die letzten Fahrgäste rein und spätestens dann weiß man, wie sich Sardinen in der Dose fühlen. Natürlich werde ich wieder von allen angestarrt, was die Sache nicht besser macht. Zum Glück gibt es einen speziellen Wagen nur für Frauen und nach der ersten intensiven Erfahrung im gemischten Wagen fahre ich dann nur noch im Frauenwagen mit. Da ist es weitaus leerer und die Damen gucken auch nicht so offensiv.

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Der Gedenkpavillion an der Stelle, an der Gandhi erschossen wurde

Der weite und unbequeme Weg in die Stadt veranlasst uns, uns doch wieder nach einer Bleibe in Zentrumsnähe umzusehen. Und da es uns in Bens Appartement gut gefallen hat und jetzt auch wieder ein Zimmer frei ist, ziehen wir kurzerhand genau dahin zurück. Die Wiedersehensfreude mit Brampal ist groß. So etwas passiert wohl auch nicht allertage. Während der nächsten Tage fahren wir unter Anderem zum Connaught Place, eine Verkehrsinsel mit 200 Metern Durchmesser mit zweistöckigen Gebäuden im britischer Kolonialstil ringsherum. Hier gibt es alles, diverse Luxuslabels, einige sehr schicke Cafés und Restaurants, die typischen Fast Food Läden, Elektronikmärkte und in zweiter Reihe indische Bekleidungsgeschäfte, Schneidereien und kleine Läden mit Waren für den täglichen Bedarf. Wir besuchen das Mahatma Gandhi Haus im Regierungsviertel der Stadt und verbringen einige Stunden dort. Gandhi hat hier die letzten Monate seines Lebens verbracht und man kann den Fußspuren seiner letzten Schritte folgen, von seinem Zimmer bis zu der Stelle im Garten, an der er ermordet wurde.

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Endlich mal den Dalai Lama live erleben

Der Höhepunkt unserer Zeit in Delhi ist der Besuch von Tenzin Gyatso, dem 14ten Dalai Lama. Er wird ein zweistündiges, öffentliches Gebet im Buddha Jayanthi Park im Westen der Stadt sprechen. Es sind Tausende Menschen gekommen. Trotzdem ist es eine lockere, friedliche Atmosphäre ohne Geschubse und Gedränge. Freiwillige verteilen Gebetsbücher auf tibetanisch und englisch. Sogar die Eröffnungsrede seiner Heiligkeit wird von einem seiner Mönche noch einmal auf Englisch vorgetragen, das Gebet leider nicht. Es ist trotzdem schön, ihn einmal aus der Nähe zu sehen. Ab und zu kichert er und bringt mit witzigen Bemerkungen beim organisatorischen Teil zu Beginn auch seine Mönche und die Zuhörer zum Schmunzeln. Alles in Allem ein sehr sympathischer Typ.


We meet Brampal, Rohit, and Tenzin Gyatso

Delayed but very happy we landed in Delhi. This time we stayed at Ben’s, a French guy who married an Indian. There were not at home as they were celebrating their first wedding anniversary in Goa. Instead of Ben his housekeeper Brampal welcomed us. The apartment was exactly what we needed: clean, equipped with a washing machine and fast internet. We instantly felt at home. I just counted and Ben’s place is our 35th accommodation on our trip (nights in trains, busses, airports etc. not taken into account). By now we already got a routine packing our backpacks and move on. Home is where your mobile automatically connects to the WiFi and where you easily find the light switch in the dark. Brampal is a funny guy with a big heart. He comes from a poor family. His parents couldn’t afford to send any of their six kids to school, therefore he never learnt reading or writing. At some point some French guy taught him English and since then he has been working as a cook and housekeeper for foreigners. In the time being he even taught himself reading a bit. Actually it’s not that hard if you really want it, he says.

Ben’s apartment is in a rather posh neighborhood of Delhi. The whole district has walls and fences around with several gates that are locked at night. Inside there are dozens of security checkpoints, working all around the clock. Even though it felt quite strange to us this seems to be the usual way of living of the upper class in Indian megacities. People can even enjoy the luxury of silence here. There are silent zones where honking is prohibited. Not everyone sticks to that rule but its much more quiet than we were used to in India before. In walking distance from the apartment is one of Delhi’s main sights: Humayuns tomb, a great mausoleum that has been the inspiration for Taj Mahal. One sunny afternoon we walked there through the park, already getting curious about this tomb, but as we reached the entrance we changed our minds. Foreigners are supposed to pay 25 times the entrance fee the Indians pay. It is ok and fair for us to pay more but 25 times the Indian price seemed a bit drastic.

On the way back we strolled around the neighbourhood. After a few turns we spotted a fine white temple. It is neither a Hindu nor a Buddhist temple. There was no sign about entrance fees and no other tourists, so it looked appealing to us. Moppi and I decided to walk in and in case we have to pay a crazy fee they will certainly stop us. And of course we were stopped! This time it was a Sikh guru, he didn’t want money but asked us to take off our shoes and cover our hair prior to going inside. After having visited this temple thoroughly we had a long and honest discussion with the guru and we learnt a lot about the Sikhism. It is a quite young religion and very down to earth compared to others. Men and women are valued the same, it’s very congenial. The only thing that appeared strange to us, one should not cut or shave any body hair!

Unfortunately we only booked two nights at Ben’s and we cannot amend our stay. Therefore we had to move again. One of the more attractive offers is outside the city, in a suburb called Ghaziabad. Ghaziabad is meant to become a chic small city outside Delhi. Right now they are still building in high speed the posh condominiums and there is a lot of construction going on. The shiny and expensive shopping malls are already open and in between on whatever open slack there are little slums and tents made of canvas covers as we have seen them before in Kolkata. Some people even have a TV in their little homes. This takes me to our new host, Rohit, the TV star. Usually when we stay at someone’s place Moppi and I present ourselves and the host does likewise. In Rohit’s case the presentation happened multimedial, showing us some clips of his soap operas, sitcoms and music videos. Further he had some really interesting stories to tell about how Indian TV is made. For example an episode of a German soap opera is realzed months prior broadcasting, whereas an Indian episode is once in a while filmed and cut the day before it is on TV! Sometimes there was not even a script and the actors had to improvise, Rohit told. I asked him how it is possible that Indians in the TV spots have such a fair skin, even whiter than Moppi and myself. Rohit laughed, lots of makeup and overexposure of light, he said.

For years ago the TV business became to dull for him and since then he tries to earn a living being a photographer and a real estate broker. It seems to go well for him. Twice a day his cleaning maid comes and once a day a cook. He could hardly believe that we don’t have a cleaning maid in Germany. But I have to mention that unlike in Germany in India these domestic service workers are very cheap. During the two nights we stayed at Rohit’s we also met some of his closest friends and one night we even had a nice bonfire on his roof terrace. The only drawback of this place is the distance to the city centre. First we had to go by autorickshaw for 15 min to the last stop of the metro and then it took one hour by metro. For Moppi this was not a big issue but it was nearly freaking me out. The daily metro is much more crowded on a Sunday afternoon than it would ever get at peak hours in Berlin. People push and squeeze, at the doors there are ’sqeezers‘; metro employees responsible for sqeezing even more people inside the car. Then you know how sardines feel in a tin! Of course everybody was staring at me again which made things worse. Luckily there is always a special car for women only and after my first intense and unpleasant experiences in the mixed cars I only rode in the female car. It was much more empty and the ladies did not stare that much.

The far and unpleasant journey to the centre made us move back into Delhi again. Since we liked it so much at Ben’s and he now has an empty room again, this is where we move back! Both Brampal and us were very happy to see each other again. Obviously this does not happen that often. During the next days we did some more sigtseeing. We went to Connaught Place, a huge roundabout of 200 m diameter and two storeyed British colony style buildings all around. Here you get everything, luxury label clothes, chic cafes and restaurants, the usual fast food stores, electronic stores and in the second row you find Indian clothing, taylors, and shops for all kinds of commodities. We visited the Mahatma Gandhi house in the government district and spent a few hours there. This is where he spent the last months of his life and one can follow his last foot prints leading from his bedroom to the spot in the garden where he was murdered.

The highlight of our time in Delhi was clearly the visit of Tenzin Gyatso, his holiness the Dalai Lama. He was saying a two hour prayer in the Buddha Jayanthi Park in the western part of Delhi. A few thousand people showed up to listen. Nevertheless it was a nice and peaceful atmosphere without any hassle and pushing. Volunteers were distributing prayer books in both English and Tibetan. The opening speech of his Holiness was even presented in English too by one of his monks. The prayer itself was not translated unfortunately. But still it was so nice to see him so close. Once in a while his face cracked and he burst into giggles and also made his monks and the audience smile with some funny remarks. All in all a very likeable man!

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