Nach einer Woche in Delhi gehen wir los und kaufen Zugtickets nach Agra. In Indien läuft das so: zuerst fragt man an einem Schalter, für welchen Zug es noch welche Plätze gibt und dann füllt man ein Formular mit Zugnummer, Klasse, Namen, Alter, indischer Anschrift und indischer Telefonnummer aus. Damit geht man anschließend zu einem anderen Schalter und kann dort das Ticket kaufen. Etwas umständlich das Ganze, aber es funktioniert. Unser Zug fährt gegen 7 Uhr am übernächsten Morgen. Zum Glück liegt Bens Wohnung in Bahnhofsnähe, so dass wir zu Fuß hingehen können. Als Moppis Wecker am entsprechenden Morgen klingelt und wir uns kurz darauf auf den Weg machen, ist es noch dunkel. Das Wohngebiet ist nachts so verdammt gut abgesichert, dass wir uns, zu unserer großen Überraschung, auf einmal vor einem verschlossenen Tor wiederfinden. Oben drauf ist schön Stacheldraht montiert. Unser gut geplanter Zeitpuffer schmilzt rasant dahin, als wir uns auf die Suche nach einem anderen Ausweg aus dem Wohnviertel machen. Wir sind beide am Fluchen. Durch Zufall finden wir ein Tor, welches nicht mit Stacheldraht verziert ist. Wir wuchten zuerst die großen Rücksäcke und dann uns über das 3m hohe Tor und dann gehts im Stechschritt zum Bahnhof. Alles nochmal gut gegangen.
Unser Zug lässt auf sich warten. Wir stehen in der winterlichen Kälte am Bahnhof und beobachten ein bisschen die anderen Fahrgäste. Die wenigsten tragen richtige Wintersachen. Viele der Männer haben sich einen Schal wie einen Verband um den Kopf gewickelt und tragen als Jacke Decken und verschiedene Tücher übereinander. Auch Moppi und ich haben mehrere Sachen übereinander angezogen. Richtig warm ist uns trotzdem nicht. Entsprechend froh sind wir, als nach einer Weile der Zug nach Agra endlich auf unserem Gleis einfährt. Die erst Assoziation, die mir beim Anblick des Zuges einfällt ist: Gefängnistransport. Die Fenster sind vergittert, beim Einsteigen ist es stockdunkel im Wagen und statt zwei quetschen sich pro Holzbank auf jeder Seite drei Fahrgäste hin. Das ist ein bisschen viel andersartige Kultur am frühen Morgen. Ich bin ganz froh, dass ich am Fenster sitzen kann und Moppi den Mittelplatz übernimmt. Während Moppi versucht noch etwas zu schlafen, schaue ich aus dem Fenster. Entlang der Bahnschienen reihen sich unzählige Slumhütten. Das ist an sich nicht neu, wir hatten das in Kalkutta schon gesehen, als wir mit dem Regionalzug um die halbe Stadt gefahren sind. Man konnte dort kleine Kinder zwischen den Gleisen spielen sehen und die Bewohner haben ihre Wäsche auf unbenutzten Gleisbetten zum Trocknen ausgelegt. Hier in Delhi wirkt es schlimmer. Die Bewohner, zumindest die männlichen, nutzen die Gleise hinter der Hütte als Toilette zur Verrichtung ihrer Notdurft. Alle paar dutzend Meter kann man sie hocken sehen. Kein schöner Anblick.
Die Fahrt geht quälend langsam. Statt der auf dem Ticket angegebenen drei Stunden brauchen wir sechs. Für 150 km! Für die Übernachtung in Agra haben wir uns dafür mal was richtig Schickes geleistet. Mit unserem abgerissenen Outfit und den großen Rucksäcken poltern wir in die riesige Lobby eines 5-Sternehotels. Trotz unseres verwegenen Äußeren werden wir absolut professionell vom Hotelmanager, vom Raummanager und von der Rezeptionschefin persönlich begrüßt. Den Rest des Tages genießen wir die Annehmlichkeiten des Hotels und am nächsten Morgen geht es in aller Frühe zum Taj Mahal. Über Agra hängt ein dicker Nebel, daher sehen wir das Taj Mahal auch wirklich erst, als wir fast direkt davor stehen. Lange können wir dieses Wunderwerk allerdings nicht bestaunen, denn wir müssen uns heute noch ein Auto nach Delhi organisieren. Wir werden schnell fündig. Der Preis ist zwar gepfeffert, aber wir haben keine Wahl, denn wir müssen unseren bereits gebuchten Bus von Delhi nach Manali erwischen. Der bestellte Fahrer holt uns gegen Mittag im Hotel ab und bringt uns in seinem Privattaxi bis nach Delhi zum Busbahnhof.
Dort fängt das Chaos an. Kein Bus! Jeder, den wir fragen, sagt etwas anderes: des Bus fährt zwei Straßen weiter, der Bus fährt außerhalb der Stadt, der Bus fährt gar nicht. Obendrein wird ein Polizist auf uns aufmerksam und unser Fahrer muss direkt vor Ort ein Bußgeld für Falschparken bezahlen. Der Fahrer erklärt uns, dass er die Hälfte von uns haben will. Da er aber das Auto dort geparkt hat und nicht wir und außerdem keine drei Meter hinter ihm ein polizeiliches Infoschild steht, auf dem ein wesentlich geringeres Bußgeld ausgewiesen ist, lassen wir ihn nach kurzer Diskussion einfach stehen. Die Bezahlung für die Fahrt und ein großzügiges Trinkgeld hatte er bereits von uns erhalten. Bleibt noch das immer dringender werdende Busproblem. Da wir nicht wissen, wen wir noch fragen könne, rufen wir Ben an. Er hat das Busticket für uns gebucht und wenn sich irgendetwas geändert hat, müsste er eine Benachrichtigung erhalten haben. Bei ihm ist nichts angekommen und er schärft uns ein, bloß auf niemanden reinzufallen, der behauptet, der Bus fährt nicht. Mit seiner Hilfe finden wir das Büro der Busgesellschaft. Aber auch hier bleibt es komisch. Nach einigem Warten fahren uns drei Männer in ihrem Privat-PKW durch eher finstere Viertel der Stadt und bringen uns zum … … Busdepot! Auch wenn das wieder nicht das ist, was wir erwartet haben, sind Moppi und ich sehr erleichtert als wir dort schließlich in einen richtigen Bus einsteigen, auf dem sogar unser Reiseziel steht. Nur mit uns beiden als Passagieren fährt der Busfahrer kurz darauf los und hält zuerst an einem Busbahnhof außerhalb der Stadt, wo endlich auch noch andere Leute zusteigen. Später erfahren wir, dass wir die einzigsten Fahrgäste waren, die in der Innenstadt zusteigen wollten.
Der Bus ist recht komfortabel und wir kommen am nächsten Morgen gut in Manali an. Es liegt im Nordosten des Landes, im Kullu Tal, auf 2000 Höhenmetern. Geplant hatten wir hier schöne Weihnachtstage im Schnee. Und Schnee ist auch da, nämlich so viel, dass die Bewohner der gesamten Region seit zwei Wochen ohne Strom sind. Unser Hotel hat unsere Onlinebuchung dementsprechend nicht erhalten, steht aber ohnehin fast leer. Es gibt keinen Strom, keine Heizung, kein fließend Wasser und kein Internet. Es ist ja ganz abenteuerlich, aber für Weihnachten hatten wir uns etwas Gemütlicheres gewünscht. So beschließen wir, nach einer Nacht weiter zu reisen. Als ich abends unter mehreren Decken liege und zittere, freundet sich Moppi mit Priscilla und Siddhattha, dem Paar aus dem Nachbarzimmer, an. Sie wollten auch mit ihren beiden Kindern Weihnachten in Manali im Schnee verbringen und sind gerade dabei die Buchung zu stornieren. Vorher waren sie in Dharamsala, was sie uns wärmstens empfehlen. Mit vielen guten Tipps und einer Einladung nach Chennai zu Prisci und Sid nach Hause im Gepäck, machen wir uns am nächsten Morgen auf zum Busbahnhof, um dem Schneechaos zu entfliehen. Einen Reisebus direkt nach Dharamsala gibt es leider erst abends. Die Alternative sind acht Stunden Fahrt im Linienbus mit zwei Mal Umsteigen. Die Busse sind brechend voll, die breiteren Bänke rechts sind für drei, die Einzelsitze links für zwei vorgesehen. Auch der Gang ist proppevoll. Der Bus hält alle paar Meter um Leute zu- und aussteigen zu lassen. Ein kurzer Pfiff genügt um den Bus anzuhalten. Die ruppige Fahrweise und die sich am Beasfluss dahin schlängelnde Straße sorgen bei Moppi mal wieder für eine sehr grünliche Gesichtsfarbe. Spät abends kommen wir endlich an und teilen uns mit einem tibetanischen Paar das letzte Taxi den Berg hinauf nach McLeod Ganj, einem Vorort Dharamsalas. Müde und hungrig checken wir in das einzige Hotel mit offener Rezeption ein und essen vor dem Zubettgehen noch etwas im letzten geöffneten Imbiss.
Betrayed by the weather
After having spent a week in Delhi we went to buy our train tickets to Agra. In India it goes that way that you have to ask at a counter which train has which seats for your destination and then you have to fill out a form stating the train number, class, name, age, Indian address, and Indian phone number. Then you go to another counter to buy the ticket. It was a bit of a mess, but it worked out. Our train would leave at 7am the next morning. Luckily Ben’s appartmnt is situated close to the train station, so we could walk there. When Moppi’s alarm went on early the respective morning and we left it was still dark. The living area was secured so bloody well at night that, to our surprise, we found ourselves at a locked gate with barbed wire on top. Time was ticking as we were searching for another way out. Both of us were cursing like hell. By coincidence we found a gate without any barbed wire. First we heaved our big backpacks over it and then climbed ourselves over the 3 meter high gate before rushing to the station. We were really lucky!
Our train ran late. We were waiting in the winter cold and watched the other passengers around us. Hardly anyone was wearing proper winter clothes. Most of the men had a scarf wrapped around their heads like a bandage and several blankets around their bodies. Moppi and I were also wearing all our clothes but we didn’t feel really warm. Therefore we were quite glad when the Agra train finally appeared. My first association about this train was: prison transport. The windows had bars outside, when entering it was still pitch black inside, and instead of two passengers each wooden bench was meant for three to squeeze in. I was quite happy sitting by the window and Moppi volunteering for the middle seat. While Moppi was trying to get some sleep I was just staring outside the window. All the way along the train tracks there were an uncountable number of slum huts lined up. Actually this wasn’t new to us as we had seen this in Kolkata while riding a regional train across the city. There you could watch little kids play between the rails and the inhabitants were drying their laundry on the unused tracks. In Delhi it seemed to be worse. The people, at least the men, were using the tracks behind their shacks as their toilet. Every now and then you could see them squatting doing their business. Not so nice.
The train ride went tantalisingly slowly. Instead of the three hours written on our ticket it took six hours. For only 150 km! For this one night in Agra we spent some more for a fancy place. Ragged in our old outfits and carrying our large backpacks we crushed into the huge lobby of a five star hotel. Despite our bold looks the general manager, the room manager and the chief of reception greeted us absolutely professionally in person. The rest of the day we spent enjoying the hotel’s treats and early next morning we headed towards the Taj Mahal. There was a thick fog layer hanging over Agra, therefore we didn’t see the Taj Mahal only until we were directly in front of it. We didn’t have a long time for admiring this marvellous monument because we had to organise a car back to Delhi the same day. We found one soon enough. The price was extraordinarily high but we had no choice as we had to catch our prepaid bus from Delhi to Manali the very evening. So a driver brought us in a private taxi all the way back to the bus station in Delhi. There the chaos started. No bus! Everyone we asked told us something different: the bus will leave a few streets further, the bus will leave outside Delhi, the bus will not go at all. Furthermore a policeman noticed us and obviously our driver had to pay right there a parking fine. He explained us that we should pay him back half the fine. Since he parked the car there and not us and there was a police info board stating the fine which was much lower than what he told us we just left him there after a short debate. He already got the payment for the ride and a generous tip on top. So we were left with the bus problem, getting more and more urgent to be solved. We had no clue who else to ask so we called Ben. He booked the bus tickets for us and if there was a change of departure place he should have gotten a message. He told us that there are no news and that we should beware of trusting people, they are trying to trick us. With his help we found the office of the travel agency. There it was fishy too. Three men took us from there in their private car across the most dodgy districts of the city and we arrived: at the bus garage. We were really relieved to find our coach there with the correct destination written on it. The bus driver left with only the two of us and then stopped at the bus stop outside the city, where other people hopped on too. We learnt that we were the only passengers who wanted to jump in in the city centre.
The coach was quite comfy and early next morning we arrived well in Manali. It is situated in the Northeast of India, 2000m above sea level in the Kullu valley. We planned some really nice Christmas holidays in the snow. There was indeed snow, it was so much that the whole region had no electricity for two weeks. Therefore our hotel didn’t receive our online booking, but it was almost empty anyway. There was no electricity, no heating, no water, and no internet. Well, this would be adventurous, but for Christmas we were eager for some place more cozy. So we decided to travel on after one night. While I was shivering under a heap of blankets Moppi made friends with Priscilla and Siddhattha, the couple from the room next door. They also planned to spend Christmas in snowy Manali with their two teenage kids, but were busy cancelling the reservation. Before Manali they were in Dharamsala, a small city not too far and they highly recommended it to us. Having gotten lots of good advice plus an invitation to Prisci and Sid’s home in Chennai we left the next morning to the bus station in order to escape this snow chaos. Unfortunately there was a coach to Dharamsala only in the evening. The alternative were eight hours in the public busses including changing twice. The busses were packed, the larger benches on the right were meant for three people, the single seats on the left for two. Even the aisle was crowded. The bus stopped every few metres to let people hop on and off. A short but loud whistle was enough to stop the bus. The reckless style of driving and the streets winding along the Beas river got Moppi sick once again. Late at night we finally arrived and shared the last taxi with a Tibetan couple up the hill to McLeod Ganj, a suburb of Dharamsala. Tired and hungry we checked into the only hotel whose reception was still open and had a bite in the last open eatery.














Schön, dass Ihr immer noch so fleißig spannende Geschichten für uns Daheimgebliebene postet. Wünschen Euch weiterhin viel Spaß! Friedi && André
PS: Der aufmerksame Leser sieht auf einem der obigen Fotos einen Ring an Moppis Hand…jetzt sind wir natürlich alle neugierig 😀
Schön, dass Ihr es überhaupt mit dem Zug nach Agra geschafft habt.- Wir haben 1998 nach 1 Std. Anstehen und Formularausfüllen nur eine Rückfahrt und keine Hinfahrt buchen können, da der Angestellte die Zugnummer falsch eintippte, und zum erneuten richtigen eintippen nicht zu bewegen war….
Michael