Bett statt Strand

Am Flughafen in Salvador erwartet uns Castalia bereits. Wir begrüßen uns nur kurz, denn wir müssen sie bitten, mich direkt zum Flughafenarzt zu bringen. Sie klopft lange und mehrmals an der unscheinbaren grauen Doppeltür, bis eine stämmige Frau im Blaumann mit verknittertem Gesicht öffnet. Sie hat in ihrer Nachtschicht scheinbar nicht mehr mit Patienten gerechnet und mit ihrem Blaumann erinnert sie eher an eine Mechanikern, als an eine Ärztin. Wir schildern meine Symptome und auch, dass wir vorher durch Afrika gereist sind. Malaria schließt sie allerdings sofort aus, was zumindest eine kleine Erleichterung für uns ist. Moppi wird dann direkt vor die Tür geschickt und die dicke Frau verpasst mir drei richtige Monsterspritzen, solche Apparate, wie man sie eigentlich aus schlechten Filmen kennt. Sie sind erst einmal gegen das Fieber und die Übelkeit. Was ich genau habe, kann sie nicht sagen. Wir sollen das Ganze die nächsten Tage beobachten und falls es nicht besser wird, nochmals einen Arzt aufsuchen. Castalias Freund Gustavo fährt uns nach Hause.

Diagnose: Dengue-Fieber

Die beiden wohnen bei Castalias Eltern, die wir noch ganz kurz kennenlernen bevor wir ins Bett fallen. Am nächsten Tag komme ich gar nicht mehr hoch. Das Fieber und die Übelkeit sind immer noch da und am Folgetag sieht es nicht anders aus. Es ist Ostersonntag und die gesamte Familie findet sich zu einem großen Osterschmaus ein. Ich fühle mich schlecht, weil ich ihnen das Osterfest verderbe und Moppi ist es sehr unangenehm, dass er nicht mit der Familie kommunizieren kann. Keiner hier spricht Englisch, nur Castalia kann aus ihrer Zeit in Deutschland noch deutsch. Als sich mein Zustand weiter verschlimmert, bitten wir sie, uns ins Krankenhaus zu bringen. Das erste Krankenhaus ist voll und man schickt uns weg, wir sollen es in einer Privatklinik versuchen. Auch dort müssen wir allerdings lange warten. Das Krankenhaus ist voll klimatisiert und die Temperatur recht frostig. Während meine Freundin und Moppi total frieren, ist es für mich und mein Fieber die reinste Erholung. Zu unserem Glück gibt es hier einen Arzt, der gut Englisch spricht. Am Ende wird mir Blut abgenommen, verschiedene Substanzen werden mir gespritzt, meine Lunge wird geröntgt und letztendlich kommt man zu dem Schluss, dass es sich wahrscheinlich um Dengue-Fieber handelt. Die verdammten Mücken auf Ilha Grande haben mich infiziert. Tja, leider kann man da nichts machen, außer das Fieber aussitzen und Schmerzmittel zur Linderung zu nehmen. Danach werde ich aber immerhin immun sein.

Unsere Strandpromenade gleich um die Ecke

Zurück bei Castis Familie wird uns die ganze Sache immer unangenehmer, zumal Casti wieder arbeiten muss, uns ihre Mutter in der Zeit aber sehr mit Essen und frischen Säften verwöhnt und wir nicht einmal richtig mit ihr kommunizieren können. Moppi bucht uns daher eine kleine Ferienwohnung im Viertel Barra in der Innenstadt. Damit stoßen wir unserer Gastfamilie zwar gehörig vor den Kopf, aber wir wollen ihre Gastfreundschaft nicht in diesem Maß überbeanspruchen und ausnutzen. Nun liege ich also mit einer konstanten Temperatur von 40°C im Bett unserer kleinen Unterkunft und Moppi kümmert sich um Einkäufe, Essen und Medikamente, kocht, obwohl ich nichts esse, kühlt meinen überhitzten Körper und hofft, dass ich wieder auf die Beine komme. Und tatsächlich, nach einer Woche klingen die Symptome ab. Mit einem roten Hautausschlag am ganzen Körper verabschiedet sich das Dengue-Fieber von mir. Langsam kehrt auch mein Tatendrang zurück, ich will ans Meer, endlich wieder schwimmen und ich will die Stadt entdecken. Auch wenn Moppi gerade etwas müde vom Reisen ist und nur selten mit an den Strand Farol da Barra kommt (5 Gehminuten von unsere Unterkunft), schaffen wir es immerhin zu einer geführte Altstadttour.

Bei den Favela-Bewohnern zu Hause

Bis vor ein paar Jahren war das Viertel Pelourinho eine gefährliche No-Go-Area, wurde aber von der Stadt liebevoll und farbenfroh saniert und lädt zum Schlendern und Verweilen ein. Inzwischen ist es sogar UNESCO Weltkulturerbe. Neben der schmucken Altstadt führen uns unsere Guides auch in Gegenden, die wir allein nicht unbedingt besucht hätten, z.B. in eine kleine Favela in der Innenstadt, in der die Bewohner erzählen, wie sie leben und wo man das Improvisationsgeschick der Bevölkerung an den Installationen für Strom- und Wasserversorgung sehen kann. In dem einen oder anderen Hinterhof wird illegales Glücksspiel betrieben und auch selbst gebrannten Schnaps scheint man hier als Eingeweihter erwerben zu können.

Hey Kumpel, willste Schnaps kaufen?

In Salvador ist der afrikanische Einfluss unverkennbar. Im Gegensatz zu dem eher weißen São Paulo, haben 80% der 2,8 Mio Einwohner afrikanische Wurzeln. Das rührt daher, dass im 17. und 18. Jahrhundert zu Abertausenden afrikanische Sklaven importiert wurden und Salvador, damals noch Hauptstadt Brasiliens, der Hauptumschlagsplatz für den Menschenhandel war. Auf dem Largo do Pelourinho, dem Herzstück der Altstadt, fanden der Sklavenhandel und die Sklavenbestrafung statt. Die Kirche Igreja Nossa Senhora do Rosario dos Petros war die erste, die auch Schwarze betreten durften. Als wir dort eines Abends vorbeischlendern, neigt sich gerade ein Gottesdienst dem Ende zu. Die Menschen stehen bis zur Tür hinaus und die ausgelassene Stimmung und der rhythmische Gesang der Predigt reichen bis auf die Straße. Wenig später treffen wir auf dem Platz direkt vor der Kirche eine 20-Frau/Mann starke Trommelkombo, die mit ihrer gewaltigen Klangkulisse eine Capoeira-Performance unterstützt, eine brasilianische Kampfkunst, die ihren Ursprung, wie so einiges hier, in Afrika hat. Die Gassen sind voller Zuschauer und die schon aufgewärmten Gottesdienstgänger gesellen sich zu den Tanzenden und es ist ganz schön was los in Pelourinho an diesem Abend.

Der Rhythmus Brasiliens

Nach meiner Genesung treffen wir auch Castalia und ihren Freund wieder und holen nach, was bei unserer Ankunft nicht möglich war: ein paar Touren durch die Gegend, mit Leuten, die sich wirklich auskennen. Sie zeigen uns, wo sie ausgehen, relaxen und am liebsten essen. Dabei kommen wir auch in den Genuss ihres Lieblingssnacks: Acarajé, ein Teig aus Augenbohnenbrei, zu Kugeln geformt und in Palmöl frittiert – ebenfalls ein Erbe der afrikanischen Sklaven. Bei ihren Eltern sind wir auch noch gern gesehene Gäste. Castalias Mama kocht meistens eher europäisch: Hühnchen mit verschiedenen Gemüsesorten und Kartoffeln und immer wesentlich mehr Auswahl davon, als man üblicherweise in Deutschland zu einer Mahlzeit auftischt. An einem anderen Tag unternehmen wir einen Ausflug zum Küstenort Praia do Forte, zum Schildkrötenschutzprojekt TAMAR, welches an verschiedenen Stränden Brasiliens den Meeresschildkröten beim Nisten und Entlassen der geschlüpften Jungen ins Meer hilft.

Mit denen wären wir gern einmal tauchen gegangen

Ansonsten verbringen wir unsere Tage enspannt und ohne große Planung. Als wir an einem Nachmittag an der Strandpromenade in Barra schlendern, finden wir zufällig eine Tauchschule. Wir waren seit Thailand nicht mehr tauchen und bekommen richtig Lust darauf. Leider verschiebt sich der Tauchtermin mehrmals und anstatt mit dem Boot zum Wracktauchen hinauszufahren, gehen wir von Land aus ins Wasser. Für Moppi ist das der unangenehmste Tauchgang seit er Tauchen geht. Die geliehene Taucherbrille ist nicht dicht und läuft in Sekundenschnelle voll. Statt den Tauchgang zu genießen, ist er permanent damit beschäftigt, seine Maske auszublasen. Während der Tauchlehrer mit mir an der Hand, ich habe ja noch keinen Tauchschein, im Kreis in Strandnähe auf sieben Metern Tiefe umherdümpelt, verliert uns Moppi aus den Augen, schwimmt im Kreis, taucht aus Versehen immer weiter auf und kollidiert mit ein paar Badegästen über uns. Was für ein Reinfall!

Wie cool, ein Aufzug von der Unterstadt in die Oberstadt

Inzwischen sind wir schon seit fast zwei Wochen in Salvador und uns ist mal wieder nach Ausgehen. Wir haben ein Jazzkonzert im Museo de Arte ins Auge gefasst. Es ist nicht weit von der Altstadt, man muss nur von Pelourinho aus mit dem Aufzug „Elevador Lacerda“, der die obere Innenstadt mit der Unterstadt verbindet, hinab fahren und noch ein Stück am Wasser entlang gehen. Alle raten uns, für die paar Meter ein Taxi zu nehmen. Die Straße führt genau zwischen einer Stadtfavela und dem Meer entlang. Für Weiße soll es hier abends besonders gefährlich sein. Nach den Erfahrungen in Rio nehmen wir uns den Rat zu Herzen und gehen, entgegen unseren Gewohnheiten, nicht zu Fuß. Das Konzert ist super und auch die beeindruckende Kulisse trägt viel zum Ambiente bei. Ringsum ist ein Park mit modernen Skulpturen und hinter uns branden die Wellen auf die Klippen vor einem herrlichen Sonnenuntergang. Zurück nach Hause geht es wieder mit dem Taxi. Irgendwie fühlen wir uns etwas eingesperrt in Salvador. Wir wohnen in einem Haus, das mit dicken Mauern und Stacheldraht umzäunt ist, im Auto werden als erstes die Türen verriegelt und wir haben nicht das Gefühl, dass wir frei und unbeschwert einfach spazieren gehen können, wann und wo es uns gefällt. Es wird also mal wieder Zeit für einen Ortswechsel.

4 Gedanken zu “Bett statt Strand

  1. Echt schöne Bilder! Ihr müsst wirklich ein paar als Fotoleinwand ausdrucken….Moppi du hast doch da noch solche arg weißen Wände in der Wohnung…:-)

  2. Endlich mal wieder News in diesem Blog 🙂 Wie immer herrliche Bilder und spannende Berichte, vielen Dank aus dem Saarland!

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